Zur Hauptnavigation springen Zum Hauptinhalt springen

Antrag / Anfrage / Rede

Neue Gentechnikverfahren (NG) bei Pflanzen und Saatgut

Fraktionsübergreifender Antrag der Kreistagsfraktionen ÖDP/Die Linke, SPD, Freie Wähler, Bündnis 90/DIE GRÜNEN, CSU für die Kreistagssitzung am 24.07.2023

Sehr geehrter Herr Landrat Frey,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

die Unterzeichner bitten um Beratung und Beschlussfassung und beantragen parteiübergreifend, der Kreistag möge beschließen:

  • Der Beschluss des Kreistags vom 27.07.2009: Resolution zum Thema „landwirtschaftliche Gentechnik im Landkreis Starnberg“ wird ergänzt.
  • Das Bekenntnis des Landkreises zur Gentechnikfreiheit und die damit verbundenen Verpflichtungen erstrecken sich auch auf alle Methoden der künstlichen Erbgutveränderungen von Pflanzen und Saatgut (Genom-Editing).

Begründung:

Nach dem Urteil des EUGH vom 25.07.2018 unterliegen auch neue gentechnische Verfahren zur gezielten Erbgutveränderung bei Pflanzen und Saatgut wie CRISPR/Cas, dem geltenden Gentechnikrecht und damit strengen Bestimmungen bei der Risikoprüfung für die Zulassung, bei der Kennzeichnung und beim Nachweis gentechnisch veränderter Produkte.

Die EU-Kommission plant, nach solchen Verfahren hergestellte Produkte von der Anwendung des Gentechnikrechts freizustellen.

Das abschließende Konsultationsverfahren wurde am 22.07.2022 abgeschlossen. Mit der Einleitung eines Verfahrens zur Gesetzesänderung ist bereits im Sommer 2023 zu rechnen.

Im Einzelnen wird der Antrag mit folgenden Argumenten bekräftigt:

  • Der Landkreis Starnberg hat durch seinen Beschluss vom 27.07.2009 bayernweit eine Vorreiterrolle übernommen, die er angesichts der beschriebenen Entwicklung beibehalten muss. Das Beispiel Starnberg strahlte auch auf andere Landkreise in Bayern aus. Im Zeitraum zwischen 2011 und 2019 wurden insgesamt 226 bayerische Kommunen als gentechnikanbaufrei ausgezeichnet.
  • Ein Abwarten einer Entscheidung auf EU-Ebene ist keine vertretbare Option. Ob eine Mehrheit der EU-Staaten gegen einen Gesetzesvorschlag der EU-Kommission stimmt, ist fraglich. Es ist deshalb enorm wichtig, zum Wohle unserer Bürger*innen auf regionaler Ebene Signale zu setzen.
  • Auch der Kreisverband des Bayerischen Bauernverbands sieht einen Handlungsbedarf. Bereits 2004 wurde durch freiwillige Selbstverpflichtungen seiner Mitglieder der Weg zu den Kreistagsbeschlüssen geebnet.
  • Eine große Mehrheit in der Bevölkerung lehnt die Anwendung der sog. Agrogentechnik ab. Eine Herausnahme bestimmter Verfahren aus dem strengen Gentechnikregime ist der Bevölkerung nicht zu vermitteln, solange eine risikofreie Anwendung solcher Verfahren nicht garantiert werden kann. Damit würde die bisherige Transparenz verloren gehen.
  • Unabhängige kritische Wissenschaftler warnen vor einer Absenkung des Niveaus der Risikoprüfung und Risikobewertung. Einer präziseren Handhabung der sog. Genschere steht ein hohes Eingriffspotential des Verfahrens gegenüber, das umfangreiche Risikoprüfungen bedingt. In Bezug auf die Lebensmittelsicherheit wird dies auch von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) gefordert.
  • Es liegen bereits zahlreiche Anträge von Agrokonzernen zur Patentierung von genom-editierten Pflanzen beim Europäischen Patentamt vor. Dies widerlegt die Behauptung, die neuen Gentechnikverfahren würden aufgrund der einfacheren Anwendung „jedem Landwirt“ zur Verfügung stehen. Die Erteilung entsprechender Patente würde im Gegenteil die Abhängigkeit gerade kleinerer Betriebe von großen Agrarkonzernen noch verschärfen. Zwar ist die Ausgangslage im Landkreis Starnberg derzeit noch günstig, weil bei seinem Grünlandanteil überwiegend Milch produziert wird und die Verwendung gentechnisch veränderter Futtermittel durch die Lieferverträge der regionalen Molkereien verboten ist und kontrolliert wird. Doch mittel- und langfristig würde sich eine „Liberalisierung“ neuer Gentechnikverfahren auch bei uns bemerkbar machen.
  • In der Praxis besteht die weitere Schwierigkeit bei Verfahren der Genom-Editierung, dass derzeit nicht zuverlässig unterschieden werden kann, ob Erbgutveränderungen durch zufällige Mutationen oder durch künstliche Eingriffe mittels Genscheren entstanden sind. Der Verband Lebensmittel ohne Gentechnik (VLOG), auf den die damalige Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner die Lizenzierung und Kontrolle des Siegels „Ohne Gentechnik“ 2010 übertragen hatte, sieht die Glaubwürdigkeit des Siegels ohne ausreichende Nachweisverfahren gefährdet. Hersteller gentechnisch veränderter Produkte müssen deshalb verpflichtet werden, die notwendigen Angaben zu liefern.
  • Eine Etablierung von Verfahren der neuen Gentechnik im Pflanzenbau birgt auch die Gefahr in sich, dass die Arten- und Sortenvielfalt unserer Kulturpflanzen weiter abnimmt. Dies läuft den Bestrebungen in Landwirtschaft und Gartenbau zuwider, vermehrt alte, standortangepasste Sorten zu verwenden. Weiterhin ist bei dem Thema auf die Auskreuzung und mögliche Veränderung anderer Wildpflanzen hinzuweisen.
Zurück